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Fachwissen und Einsatzwille allein genügen
immer weniger
Sozialkompetenzen auf dem Arbeitsmarkt
von Alexander Salvisberg
Ein idealer Arbeitnehmer verfügt nicht allein über ausgewiese
fachliche Fähigkeiten, sondern zeichnet sich zusätzlich
durch eine Reihe persönlicher Eigenschaften und Stärken
aus. Zu diesen "weichen" Faktoren gehören auch soziale
Kompetenzen, welche sich auf das Verhalten im zwischenmenschlichen
Bereich beziehen. In vielen Stelleninseraten formulieren die Arbeitgeber
entsprechende Erwartungen: So sucht etwa ein Partyservice "freundliche
und charmante Eventmitarbeiter /innen", ein Sanitärartikelgeschäft
"eine aufgestellte, kontaktfreudige, kommunikative Verkaufspersönlichkeit"
und bei der Beschreibung des Idealprofils eines Marketingkoordinators
heisst es "Teamfähigkeit, Durchsetzungsvermögen,
Verhandlungsgeschick und Kommunikationsbereitschaft sollten weitere
Akzente ihrer Persönlichkeit sein." Obwohl derartige Anforderungen
an soziale Kompetenzen oft floskelhaft erscheinen, wäre es
doch falsch, diese rundweg als inhaltsleere Schlagworte abzutun.
Sowohl die Bewerbungschancen als auch der langfristige Erfolg in
der Arbeitswelt hängen in hohem Mass von den sozialen Fähigkeiten
ab, wie verschiedene Untersuchungen zeigen.
Angemessenes Sozialverhalten ist berufsspezifisch
Die Sozialkompetenzen verdanken ihren hohen Stellenwert dem Umstand,
dass zahlreiche Handlungen im Berufsleben unmittelbar in zwischenmenschliche
Zusammenhänge eingebunden sind. Die Fähigkeit, sich diesen
sozialen Anforderungen gegenüber adäquat zu verhalten,
trägt wesentlich zum Gelingen des Arbeitseinsatzes bei. Dabei
lassen sich vier Bereiche sozialer Kompetenzen unterscheiden: Umgänglichkeit,
Kooperation, Kommunikation und Führung. Während Selbstausdruck
und Selbstbehauptung im zwischenmenschlichen Kontakt in diesem Zusammenhang
oft genannt werden, geht manchmal vergessen, dass soziale Kompetenz
auch auf der Einsicht in soziale Regeln und der Anpassung an gemeinschaftliche
Normen beruht. Angemessene Umgangsformen und Freundlichkeit gehören
ebenso zu einer sozial kompetenten Person, wie die Fähigkeit,
seinen Standpunkt in einer Auseinandersetzung erfolgreich zu vertreten.
Sich in einen sozialen Arbeitszusammenhang einzufügen ist ebenso
wichtig, wie das Geschick, diesen Zusammenhang selbst mit zu prägen.
Unsere Untersuchung von Stelleninseraten zeigt allerdings, dass
die Akzente in den geforderten Sozialkompetenzen je nach beruflicher
Tätigkeit ganz unterschiedlich gesetzt werden. Dies ist keineswegs
erstaunlich, werden doch auf dem Arbeitsmarkt generell keine allumfassenden
Qualifikationen gefordert. Gefragt sind vielmehr solche Qualitäten,
die im jeweiligen Tätigkeitsbereich von besonderer Bedeutung
sind. In Bezug auf die Sozialkompetenzen heisst das etwa, dass eine
Serviertochter freundlich zu sein hat, aber kaum je Durchsetzungsfähigkeit
zeigen muss, während von einem Maurer weder das eine noch das
andere erwartet wird. Die Verkaufspersönlichkeit muss Verhandlungsgeschick
und Kontaktfreude mitbringen, das neue Mitglied in der Arbeitsgruppe
Teamfähigkeit und der Bereichsleiter muss motivieren und führen
können. Im Dienstleistungssektor und bei leitenden Stellen
kommt der zwischenmenschlichen Interaktion eine weit grössere
Wichtigkeit zu, als bei industriellen Berufen und in Positionen
ohne Vorgesetztenfunktion. Entsprechend länger ist denn auch
der Anforderungskatalog bei den sozialen Kompetenzen. Wichtig ist,
dass weiche Faktoren keineswegs fachliche Qualifikationen zu ersetzen
vermögen. Viel eher ist es so, dass mit den fachlichen Anforderungen
auch die Ansprüche an die überfachlichen Qualitäten
deutlich ansteigen. Einzig im Gastgewerbe und im Verkauf gibt es
ausbildungsmässig wenig anspruchsvolle Stellen, bei denen statt
einer formalen Ausbildung die sozialen Kompetenzen im Vordergrund
stehen.
Die neue Arbeitswelt fordert neue Qualitäten
Die oft geäusserte Vermutung, dass die Ansprüche an soziale
Kompetenzen in jüngerer Zeit gewachsen sind, scheint tatsächlich
zuzutreffen. Im Spiegel der Stelleninserate haben sich insbesondere
die Anforderungen in den Bereichen Kooperation und Kommunikation
in den letzten 10 Jahren ausserordentlich stark ausgeweitet. Doch
auch Umgänglichkeit und Führungsqualitäten werden
immer häufiger verlangt. Diese Entwicklung hat zum Teil sicher
damit zu tun, dass Sozialkompetenzen seit einiger Zeit generell
intensiver thematisiert werden. Das prägt auch die Formulierungen
in den Stelleninseraten. Doch hinter dieser Modeerscheinung stecken
durchaus reale Veränderungen in der Arbeitswelt. Einerseits
haben diejenigen Tätigkeiten an Bedeutung gewonnen, bei denen
Kommunikation und Kooperation schon immer ein wichtiger Bestandteil
der Arbeit war. Es handelt sich dabei vor allem um Berufe in unternehmensbezogenen
Dienstleistungen wie Beratung, Planung, Personalführung und
Finanzen sowie um soziale Dienste wie Erziehung, Bildung und Gesundheitspflege.
Andererseits verstärken die personalmässig langfristig
schrumpfenden Bereiche etwa in Industrie und Gewerbe diesen Eindruck:
Sie legen traditionell weniger Gewicht auf soziale Kompetenzen weil
die Tätigkeiten hier viel stärker technisch bestimmt sind.
Zusätzlich zu diesen Verschiebungen in der beruflichen Zusammensetzung
wirken sich aber auch Veränderungen an den einzelnen Arbeitsplätzen
auf die Nachfrage nach Sozialkompetenzen aus. Neuere Formen der
Arbeitsorganisation wie Team- und Projektarbeit fordern ein erhöhtes
Mass an Fähigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich. Ausserdem
führt der immer breitere Einsatz moderner Informations- und
Kommunikationstechnologie zu einer Schwerpunktverlagerung in den
auszuführenden Tätigkeiten. Während ein wachsender
Teil der technischen und administrativen Routinearbeit von der Elektronik
übernommen wird, füllt die nicht an die Maschine delegierbare
Auseinandersetzung mit anderen Menschen - seien das nun Kunden oder
Arbeitskollegen - einen wachsenden Teil der Arbeitszeit aus. Dazu
kommt, dass die kulturellen Unterschiede zwischen den Menschen die
direkt miteinander zu tun haben im Durchschnitt grösser geworden
sind. Der Rückgriff auf einen vorgegebenen gemeinsamen Verständigungshintergrund
verliert dadurch zusehends an Selbstverständlichkeit. Die Fähigkeit,
sich in die Situation des Gegenübers zu versetzen und umgekehrt,
seine eigene Position klar zu kommunizieren, gewinnt dadurch an
Bedeutung. Aus einer allgemeineren Warte betrachtet zeigt sich in
der Arbeitswelt dieselben Entwicklung wie in der modernen Gesellschaft
generell: Ein wachsender Teil von alltäglichen Entscheidungen
ergibt sich nicht mehr halbwegs zwangsläufig aus den überkommenen
Regeln und vorgegebenen Bedingungen, sondern muss im Einzellfall
zwischen den beteiligten Menschen ausgehandelt werden. Sozialkompetenz
ist somit zunehmend auch Lebenskompetenz.
dieser Beitrag erschien in leicht abgänderter Form am 12.11.2005
in der Basler Zeitung
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