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Illustration: Stelleninserate seit 1900
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Auch die Firma bewirbt sich -
Stelleninserate sind Botschafter der Unternehmenskultur und Werbemittel zugleich

von Matthias Kunz und Alexander Salvisberg

Man weiss es: Die Suche nach geeignetem Personal ist für die meisten Betriebe eine aufwändige und kostspielige Sache. Die WEMF-Statistik schätzt die Einnahmen aus Stelleninseraten für das Jahr 2005 auf gut 230 Mio. Franken. In anbetracht des tendenziell rückläufigen Inseratevolumens ist diese Summe beachtlich und für die Zeitungsverlage nach wie vor existentiell. Aufschlussreich ist die Betrachtung der langfristigen Entwicklung der einschlägigen Ausgaben der Betriebe. Im Verlauf der letzten 50 Jahre haben sich die durchschnittlichen Inserierungsausgaben für eine ausgeschriebene Vakanz um den Faktor 14 erhöht. In Franken ausgedrückt: Wurde in den 1950er Jahren für ein Standardinserat (teuerungsbereinigt) gut 50 Franken ausgegeben, so sind dies im 21. Jahrhundert fast 700 Franken. Zu beachten ist allerdings die enorme Bandbreite der Inseratepreise: Für eine Kaderstelle in einem der begehrten Premium-Stellenanzeigern greifen gewisse Firmen tief in den Sack und zahlen bis zu 7000 Franken. Aber auch im 21. Jahrhundert kosten 90% der Stellenanzeigen weniger als 2000 Franken und es finden sich nach wie vor billige Kleinanzeigen für kaum 20 Franken. Diese Beträge hat der Stellenmarkt-Monitor Schweiz aus einer repräsentativen Auswahl von rund 28'000 Anzeigen aus über 70 Tages- und Wochenzeitungen (inklusive Anzeigern) aus der ganzen Deutschschweiz berechnet. Die unten stehemnde Grafik illustriert die wichtigsten Befunde.

Grösser, attraktiver ...

Die Gründe dieses massiven Kostenanstiegs bei der Inserierung liegen auf der Hand: Abgesehen von kleineren Schwankungen ist die Fläche der Stelleninserate stetig gewachsen. Ebenso stetig haben die Zeitungen ihre Tarife angehoben - und in guten Zeiten damit auch tüchtig Kasse gemacht. Als Folge davon sind die durchschnittlichen Ausgaben für die Ausschreibung einer freien Stelle rasant nach oben geklettert. Stelleninserate sind zu einem teuren und (folglich) geschätzten Instrument der betrieblichen Personalsuche avanciert. Welches sind die Gründe für diese beeindruckende Karriere einer ehedem wortkargen und kleinformatigen Textsorte?

Wer jemals in einer Tageszeitung aus den 50er Jahren geblättert hat, wird leicht feststellen, dass die gängigen Stelleninserate damals unpersönlich und inhaltlich eher stereotyp formuliert waren, dass sie formal unauffällig daherkamen und sich das suchende Unternehmen zudem oft hinter einer Chiffre verbarg. Das Werben um Arbeitskräfte wurde jedoch mit dem anhaltenden Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegszeit zu einer immer anspruchsvolleren Aufgabe. Unter diesen Bedingungen schärfte sich bei den Arbeitgebern das Bewusstsein für die eingesetzten Mittel der Personalrekrutierung, die Bereitschaft für einen professionelleren Umgang mit Stelleninseraten wuchs. Damit waren die Voraussetzung für ein nachhaltiges face-lifting gegeben: Bildhafte Darstellungen wie etwa Fotos und gestalterische Verzierungen wurden zu beliebten Stilelementen und sind dies bis heute weit gehend geblieben. Noch auffälliger ist dabei das Auftreten des Logos als grafisch gestaltetes Erkennungszeichen einer Firma oder einer Marke. Das Logo stellt quasi die "Flagge" des Inserenten dar und kommt unterdessen insgesamt in rund der Hälfte aller Inserate vor, bei Grossbetrieben sind es über 90%. Mit dem Aufkommen all dieser formalen Differenzierungen konnte das Stelleninserat sein Image als anspruchslose und daher billige Anzeige abstreifen.

... und differenzierter

Hand in Hand mit diesem unübersehbaren gestalterischen Ausbau des Stelleninserats ist auch der Textumfang des Stelleninserats quantitativ tüchtig gewachsen. Ins Auge stechen die Bereiche Stellenbeschrieb und Firmenselbstdarstellung, deren Textumfang vergleichsweise am stärksten zugelegt hat. Zum einen wurden die Beschreibungen der Stelle sprachlich deutlich umfangreicher und differenzierter, was die Entstandardisierung von Tätigkeitsbereichen ebenso spiegelt wie die zunehmend komplexer werdenden Aufgaben in den Unternehmen. Zum andern nutzen vor allem die grösseren Betriebe analog zur grafisch prägnanteren Selbstdarstellung das Stelleninserat immer mehr dazu, sich selbst zu präsentieren. Statt sich hinter einer Chiffre zu verbergen, informieren sie ausführlich über ihre Produkte, ihre Marktposition und vor allem auch ihre Unternehmenskultur.

Ein Schaufenster der Selbstdarstellung

Vereinfacht gesagt steckt hinter der Karriere des Stelleninserats ein Bedeutungs- und Funktionswandel. Das Stelleninserat schreibt nicht mehr nur das Anforderungs- und Tätigkeitsprofil einer Vakanz aus, sondern es hat sich als öffentliches Kommunikationsmedium zu einem strategischen Träger der Selbstdarstellung gemausert. Der take-off des Stelleninserats als Botschafter der eigenen Unternehmenskultur fällt in die 60er Jahre und fusst vermutlich auf zwei Überlegungen, nämlich erstens: Dass die Leserschaft des Stellenanzeigers gleichzeitig zum Zielpublikum eines Produkts bzw. einer Dienstleistung gehört, weshalb der Firma und ihren Produkten werbestrategisch immer mehr Platz eingeräumt werden muss. Und zweitens: Renommierte Firmen erhoffen sich Bewerbungen von besseren Kandidaten, wenn sie die Stellenausschreibung sowohl mit ihrem Prestige als auch mit ihrer Unternehmenskultur verknüpfen. Neu daran ist, dass mit so genannten "weichen Faktoren" um die zukünftigen Mitarbeiter geworben wird. Es geht nicht mehr bloss um eine sichere und gut bezahlte Stelle, sondern der Arbeitsplatz wird als Teil eines menschlichen und fortschrittlichen Unternehmens beschrieben, der zudem in ein gutes soziales Umfeld eingebettet ist. Das Konzept dieses Teils der Unternehmenskultur deckt sich mit der Philosophie der Corporate Identity, das den veränderten Beziehungen innerhalb der Arbeitswelt ebenso wie den modernen Ansprüchen des Individuums auf Selbstverwirklichung versucht gerecht zu werden. Zu diesem Zweck werden gerade im Bereich anspruchsvoller Dienstleistungen immer häufiger gut gelaunte, dynamische und motivierte Angestellte an ihrem Arbeitsplatz abgebildet.

Mehrgleisige Ausschreibungspraxis

Steigender Inserierungsbedarf, stetig wachsende Inserateflächen und kräftig steigende Inseratetarife - das Zusammenspiel dieser Entwicklungen erklärt die oben beschriebene ‚Kostenexplosion'. Am Anfang stand das Bestreben der Betriebe, die Personalsuche durch die ‚Modernisierung' des Stelleninserats erfolgreicher und effizienter zu gestalten. Als Folge davon konnte sich das Stelleninserat unbestrittenermassen als Königsweg der Personalrekrutierung durchsetzen. Mit der Ausbreitung des Internets hat sich die Personalsuche weiter differenziert. Mehr als die Hälfte aller ausgeschriebenen Vakanzen erscheinen gleichzeitig in den Printmedien und auf internetbasierten Stellenbörsen oder firmeneigenen Internetseiten. Mit dieser Entwicklung dürfte die anspruchsvolle Personalsuche noch effizienter, aber wohl kaum kostengünstiger werden. Allerdings: Der lukrative Kuchen des Stellenmarkts wird so zum Leidwesen der Printmedien neu aufgeteilt.

dieser Beitrag erschien in leicht abgänderter Form am 28.10.2006 in der Basler Zeitung

 

 

 

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